Spanien zählt mit seinen knapp 50 Millionen Einwohnern und einem BIP von rund 1,6 Billionen US-Dollar zu den größeren Volkswirtschaften der Eurozone – kämpft aber stets mit seinen ganz eigenen Problemen. Jedoch sehen Analysten das Königreich in diesen Jahren auf einem bemerkenswert guten Weg. Eine britischen Fachzeitschrift kommt gar zu einer ganz besonderen Beurteilung der iberischen Lage – vor allem im Vergleich zu Deutschland.
Passend zum Start von MALLORCA●INDUSTRIES scheint sich die spanische Wirtschaft derzeit auf einem guten Weg zu befinden. Das jedenfalls hat die DWS beobachtet, wie sie in einem aktuellen Kommentar darlegt:
Die Analysten vergleichen den aktuellen Pfad Spaniens mit der jüngsten Vergangenheit: Noch vor einer Dekade steckte Spanien in den Nachwehen der Finanzkrise in einer schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage. Besonders der Arbeitsmarkt war schwach, und junge Menschen verließen in Scharen das Land – wie aufmerksame Beobachter seinerzeit in der Tat auch in Deutschland gut beobachten konnten. Der Autor selbst erinnert sich jedenfalls gut an zahlreiche Spanier, die in jenen Jahren in Berlin, aber auch in der deutschen Provinz auftauchten.
Durchstarter Spanien
Und heute? Alles anders? Nun, zumindest, so schreibt die DWS, hat sich Spanien stattdessen zu einem Land entwickelt, in das es viele auf der Suche nach einem besseren Leben zieht.
„Die lateinamerikanische Migration, direkt in den Arbeitsmarkt, bringt keine nennenswerten Probleme mit sich.“
Seit 2019 ist die Zahl der im Ausland geborenen Arbeitnehmer um mehr als 1,2 Mio. gestiegen, die meisten davon aus Lateinamerika. Auch das kann die Redaktion aus ihrem Alltag bestätigen: Taucht man in diesen Monaten bspw. in Palma etwas tiefer ein, so scheint die Zahl der Lateinamerikaner – seit jeher nicht gerade gering – ständig weiter zuzunehmen, Kolumbianer, Brasilianer, Bolivianer, aber vor allem auffallend viele Argentinier (die übrigens, wenn man mit ihnen spricht, durch die Bank die Perspektive ihres Landes seit der Machtübernahme des Libertären Javier Milei keineswegs negativ bewerten, im Gegenteil. Man hört bereits von Akademikern, die es wegen guter Berufsaussichten wieder nach Argentinien zieht.).

Neben der kulturell eng verwandten lateinamerikanischen Migration, die in Spanien ohne Umschweife oder soziale Hängematten direkt in den Arbeitsmarkt erfolgt, offenbar keine nennenswerten Probleme mit sich bringt und außerdem auch die Demographie verbessert (es sind hier keineswegs überwiegend Männer, die einwandern), sieht die DWS weitere Faktoren, die Spanien zu einem Musterland der Eurozone machen:
Subventionen: Spanien ist einer der größten Nutznießer der Next Generation Funds, dem EU-Hilfsprogramm zur Bewältigung der (im öffentlichen Bewusstsein fast vergessen scheinenden) Covid-Krise.
Reformen: Ein guter Teil der Erfolge ist auch auf die Reformen der Banken und des Arbeitsmarktes nach der Finanzkrise zurückzuführen. Die Neuverhandlung von Arbeitsverträgen wurde erleichtert und hat Arbeitgeber dazu ermutigt, mehr Festangestellte einzustellen, so die DWS, und durch starke Erhöhungen des Mindestlohns sind auch die Einkommen der ärmeren Spanier schneller gestiegen als der Durchschnittslohn.
Tourismus: Eine der wichtigsten Triebfedern für die Beschleunigung des Wachstums 2024 waren die Rekordzahl ausländischer Touristen und die Tatsache, dass das Hotel- und Gaststättengewerbe die während der Covid-Krise erlittenen Umsatzeinbußen wieder wettmachen konnte. Auch das konnte jeder Beobachter bestätigen: Mallorca platzte im Sommer ‘24 aus allen Nähten, und nichts spricht dafür, als würde es diese Saison anders werden.
Echte Maloche unter der Sonne
All das passt zum Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenquote ging von 11,2% im Q3 2024 auf 10,6% im Q4 zurück – auch wenn der Beschäftigungszuwachs vor allem auf Teilzeitstellen fußte und die Produktivität im Quartalsvergleich um 0,2% zurückging. Man beachte, dass die Werte in deutschen Ohren recht üppig klingen, jedoch die Arbeitslosigkeit in Spanien seit jeher, fast schon traditionell stärker pressiert als in Deutschland, auch in guten Zeiten.
„Ein kollektiver Freizeitpark ist Spanien jedenfalls nicht.“
Tendentiell ist das Arbeitsleben in Spanien übrigens nicht ohne, wie ebenfalls jeder Beobachter leicht feststellen kann: Auch in prosperierenden Regionen wie den Balearen gilt: Arbeitszeiten regelmäßig lang, Arbeitswochen ebenso, Löhne und Gehälter überschaubar. Das gilt in der Gastronomie, im Tourismus, in den Dienstleistungen, vom Bau ganz zu schweigen. Ein kollektiver Freizeitpark ist Spanien jedenfalls nicht. Man sieht im Alltag auch keineswegs überall, dass die gute ökonomische Entwicklung bereits bei der Masse der Menschen ankäme.

Jedenfalls erwartet die DWS, dass der gesunde Arbeitsmarkt Konsum und Investitionen auch 2025 gut stützen wird und damit die positive Wachstumsdynamik erhalten bleibt.
Keine Rose ohne Dornen
Alles in Butter also im sonnigen Süden? Keineswegs, die Analysten sehen durchaus potenzielle Wolken am Himmel über Spaniens Wirtschaft – und die dürften deutschen Bobachtern irgendwie bekannt vorkommen:
So sind die Bauinvestitionen sowohl für Wohnraum als auch für andere Gebäude in den Jahren nach der Krise stark zurückgegangen, was zu einer Wohnungsknappheit und steigenden Mieten geführt hat – sehr zur Freude der Immobilieninvestoren. Erneut: Auch dies kann man im Alltag leicht beobachten; zumindest der Wohnungsmarkt in Palma de Mallorca steht in seiner an’s Chaos grenzenden Überforderung dem in Berlin in nichts nach.
„Spanien ist zunehmend erfolgreich im Export von Dienstleistungen wie Technologieberatung und Ingenieurwesen.“
Außerdem musste die gegenwärtige spanische Minderheitsregierung widersprüchliche Forderungen verschiedener linker und nationalistischer Parteien unter einen Hut bringen und gleichzeitig Steuererhöhungen beschließen, um das Haushaltsdefizit schrittweise abzubauen und gleichzeitig die mageren Verteidigungsausgaben zu erhöhen (der jüngsten Defence-Expansion in den NATO-Staaten auf 5% des BIP will sich das Land bekanntlich verweigern).

Summa summarum also? „Insgesamt sehen wir weiter gute Gründe, optimistisch zu bleiben“, argumentiert Ulrike Kastens, Senior Economist Europe der DWS. „Besonders ermutigend ist, dass die Investitionen in Maschinen und Ausrüstung endlich wieder das Niveau von vor Covid erreicht haben. Der Tourismus hält sich gut, und Spanien ist auch zunehmend erfolgreich im Export anderer Dienstleistungen wie Technologieberatung und Ingenieurwesen.“ Allerdings: Da auch andere europäische Länder endlich einige ihrer Wachstumsengpässe angehen, bleibe abzuwarten, wie lange die Outperformance Spaniens anhalten kann, so Kastens weiter.
Wachstum: knackig
Auch wenn die anderen also nachziehen: Im Vergleich zu vielen Euro-Ländern sieht die DWS die konjunkturelle Entwicklung Spaniens positiv hervorstechen. So wurde auch im Q4 2024 mit einem Wachstum von 0,8% im Quartalsvergleich die Konsenserwartung übertroffen. Auf Jahresbasis wuchs die spanische Wirtschaftsleistung im Q4 2024 um 3,5%, womit sich für 2024 eine jährliche Wachstumsrate von 3,2 Prozent ergibt – also Werte, die einem als Deutschen nicht mehr ganz so bekannt vorkommen.1)

Die DWS betont, dass diese Werte vor dem Hintergrund der verheerenden Überschwemmungen in der Region Valencia im Herbst 2024 – eigentlich ein Grund für schwächeres Wachstum – diese Zahlen noch beeindruckender erscheinen.
Spreads auf dem Rückzug
Und was sagen die Märkte? Die Entwicklung der Anleihen-Spreads spanischer Sovereigsn gegenüber deutschen Bunds zeigt für die DWS, dass auch die Marktstimmung gegenüber Spanien zunehmend konstruktiver wird. Wie die DWS in einem Chart darlegt, ist der Renditeaufschlag seit dem markanten Zwischenhoch im Juli 2022 im zehnjährigen Laufzeitenbereich von rund 135 auf aktuell nur noch knapp 60 BP gesunken. Damit liegt von den Peripherieländern nur noch Portugal tiefer, und sogar französische OATs handeln mit einem höheren Aufschlag:
Quelle: DWS. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
21 Plätze trennen Spanien und Deutschland
Die Analysten sehen sich mit ihrer Meinung nicht allein – und verweisen auf den britischen Economist, der die positive Entwicklung Spaniens bereits Ende vergangenen Jahres gewürdigt hat. Das Wirtschaftsmagazin veröffentlicht regelmäßig eine eigene Rangliste der besten OECD-Länder, in der Spanien in der jüngsten Ausgabe deutlich an der Spitze liegt. Die Gesamtbewertung der Wirtschaftsleistung Spaniens durch den Economist übertrifft bei weitem die anderer großer OECD-Volkswirtschaften wie Kanada auf Platz 12 und die USA auf Platz 20. Und Deutschland? Kommen Sie, Dreiundzwanzigster ist doch auch nicht schlecht.
Übrigens hat sich die DWS auch explizit mit dem spanischen Immobilienmarkt beschäftigt. Die Berichterstattung dazu erfolgt in Kürze auf MALLORCA●INDUSTRIES.
Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier (oder wenn Sie Lust auf eine kleine Zeitreise in die alte Bundesrepublik haben, dann hier).